Buchhinweis: „Turnschuhdiplomatie“ zwischen Kairo, Accra und Maputo

Eine Rezension von Dr. Jan Hangebrauck (Sporthistoriker, Deutsche Olympische Gesellschaft Berlin)

Sport in der DDR war eines ihrer weltweiten Aushängeschilder. Diese Tatsache ist ausführlich untersucht und bestätigt worden. Eine Untersuchung der internationalen Sportbeziehungen der DDR stand indes bisher noch aus. Die Studie des Berliner Sportwissenschaftlers Dr. Daniel Lange (zugleich als Dissertation an der Universität Potsdam vorgelegt) schließt diese Forschungslücke und zeigt unter dem treffend gewählten Titel „Turnschuhdiplomatie“ am Beispiel Afrikas, welche Bedeutung der Sport in der Afrikapolitik der DDR besaß und welche Wechselbeziehungen zu anderen Bereichen der Gesellschaft bestanden, etwa in der kulturellen Auslandsarbeit, im Außenhandel, im Armeesport, im Sektor Sicherheitspolitik und in der Diplomatie.

 

Die Analyse, soeben am Berliner Institut für Leistungssport & Trainerbildung der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport veröffentlicht, thematisiert die wandlungsreiche Zeit von 1955 bis zum ersten Afrika-Beschluss des SED-Politbüros vom 4. Januar 1960, der erstmals eine Intensivierung der Sportbeziehungen mit Afrika einschloss. Sie beleuchtet zudem die mühsamen Jahre der DDR-Sportdiplomatie bis zum Höhenflug ihrer Sportbeziehungen mit Afrika (1973 – 1979) sowie deren Krise und Niedergang in den 1980er Jahren.

 

Lange richtet den Fokus dabei auf mehrere Länder und Regionen Nordafrikas (Algerien, Ägypten), Westafrikas (Guinea, Mali, Ghana) und auf Mosambik sowie Äthiopien. Beeindruckend sind an dieser Stelle die Detailgenauigkeit, mit der Lange seine Erkenntnisse gewinnt, und die enorme Fülle und Bandbreite der recherchierten Quellen und Literatur (über 2200). Diese reichen von der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, über das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes bis hin zum Militärarchiv des Bundesarchives in Freiburg. Auch die Vielschichtigkeit der Ergebnisse zu den Regional- und Länderstudien ist beeindruckend: So weist Lange nach, dass die DDR ab 1968/71 im Sport umfangreiche Kontakte nach Algerien aufbaute und aufrechterhielt, die indes 1978/80 aufgrund von Streitigkeiten um Trainergehälter und um ein Höhentrainingslager einen Bruch erlebten. Zu einer ähnlichen Abkühlung der Beziehungen kam es 1978/80 zu mehreren anderen Dritte-Welt-Ländern, da diese oft günstigere Angebote anderer sozialistischer Staaten erhielten.

 

Zu den westafrikanischen Staaten Mali, Ghana und Guinea konnte die DDR hingegen keine verlässlichen und dauerhaften Kooperationen im Leistungssport aufbauen, da diese Länder in den Worten Langes „fragile Krisenstaaten“ waren.

Interessant sind jedoch nicht nur die Erkenntnisse des Autors zu einzelnen Staaten, sondern auch zum Gesamtkonzept der DDR in der Afrikapolitik. Lange belegt, dass die Sportkontakte der DDR nach Afrika seit den 1980er Jahren einen schleichenden Niedergang erlebten. Die Wirtschaftskrise in der DDR, welche in den 1980er Jahren immer massiver spürbar wurde, trug entscheidend dazu bei, dass die DDR ihre Sportbeziehungen nach Afrika nicht mehr finanzieren konnte.

 

Die vorliegende Arbeit stellt einen lesenswerten, detaillierten und sowohl in den einzelnen Erkenntnissen als auch im Gesamtfazit überzeugenden Beitrag zum besseren Verständnis der Sportgeschichte und Sportpolitik der DDR im internationalen Kontext dar, der umso wichtiger ist, als dass hieraus auch Erkenntnisse für heutige Konfliktfelder im Sport abgeleitet werden können.

 

Für zukünftige Studien im Bereich der Außenpolitik der DDR im Sport ist es hochspannend, zu schauen, in welcher Beziehung diese zur politischen Weltmacht UdSSR und zu den Staaten des Warschauer Paktes stand. 

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Lange, Daniel, Turnschuhdiplomatie: Die internationalen sportpolitischen Beziehungen der DDR nach Afrika als besonderer Bestandteil ihrer Außenpolitik (1955-90), Berlin, 2022.

Wissenschaftliche Fachbuchreihe des DHGS-Instituts für Leistungssport & Trainerbildung, Bd. 7.

ISBN: 978-3-9816783-5-2

Preis: 35 Euro
Bestellungen: per E-Mail unter

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Veröffentlichung

Sa, 12. März 2022

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