DOG-Talk "Olympia hautnah": Alles Fußball - oder doch nicht?!

Welche Rolle spielt der Fußball in Sport und Gesellschaft? Darüber diskutierte die Deutsche Olympische Gesellschaft in Berlin kurz vor dem Start der Weltmeisterschaft in Katar. Dieses Großereignis ist besonders umstritten, weil im Ausrichterland Menschenrechte verletzt werden und es unzählige Tote beim Bau von Stadien und Infrastruktur gab. Zudem kann von der einst versprochenen Klimaneutralität keine Rede sein.

 

„Diese WM ist ein Irrsinn, ihre Vergabe an Katar im Jahr 2010 war ein Skandal. Das war eine wahnwitzige Entscheidung, die von 22 größtenteils mit eigenen Interessen ausgestattete Fußball-Funktionäre wurde“, so Andreas Rettig, ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga und Bundesligamanager. „Es gab viel Kritik an dieser WM, aber der Fußball hat lange geschwiegen und er tut das noch heute. Auch deshalb, weil die Kataris es strategisch klug angegangen sind. In den Top-Fußballnationen haben sie sich wichtige Akteure an Bord geholt und unterstützen sie. In dem Moment, in dem jemand Geld überweist, tritt man ihm nicht mehr vor das Schienbein“, so Rettig.

 

Andreas Schmidt, ehemaliger Fußballprofi und Mitglied im Aufsichtsrat von Hertha BSC, sieht das ähnlich. Er wünscht sich, dass die Spieler bei der WM ein Zeichen setzen, zum Beispiel mit Kapitänsbinden in Regenbogenfarben. Klar ist aber auch, dass der sportliche Aspekt mehr in den Mittelpunkt gerückt werden sollte. „Die Spieler haben hart gearbeitet, um sich für diese WM zu qualifizieren. Sie haben es sich verdient, dort zu spielen. Auch das sollte anerkannt und gewürdigt werden“, so Schmidt.

 

Nicht nur wegen der WM-Kritik steht der Fußball wieder einmal im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion. Er ist der Lieblingssport der Deutschen, er ist omnipräsent. Doch was bedeutet das für den Sport als Ganzes? René Hecht, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes und Volleyball-Rekordnationalspieler, muss eine Antwort darauf lauten: „Der Sport sollte dringend lauter werden. Er muss seine Bedeutung für die Gesellschaft stärker herausstellen und zeigen, was ihn auszeichnet und so wertvoll macht.“ Der Sport gemeinsam, so Andreas Rettig, müsse seinen Stellenwert steigern und mehr Anerkennung einfordern. Das gehe dabei los, dass der Sportunterricht gestärkt und nicht mehr als erstes Fach ausfallen dürfe.

 

Wenn es um die Vorteile des Sports gehe, sei die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen ein zentraler Aspekt, so Andreas Schmidt: „Der Sport bereitet auf das Leben vor, er vermittelt Werte und lehrt den Umgang mit Siegen und Niederlagen. Diese Bedeutung muss noch sehr viel stärker in die Familien hereingetragen werden.“ Kindern den Sport näher zu bringen, darin sieht auch die Doppel-Olympiasiegerin im Weitsprung, Heike Drechsler, eine entscheidende Aufgabe: „Dafür brauchen wir aber mehr gut ausgebildete, motivierte Sportlehrer und Trainer, die den Kindern, das Einmaleins des Sports beibringen – Laufen, Springen, Werfen oder Purzelbaumschlagen. Kinder müssen stärker gefördert werden.“

 

Und es braucht Sportveranstaltungen, so Heike Drechsler. Die kleinen und regionalen, aber auch die großen – wie zum Beispiel Olympische Spiele. Drechsler: „Ich bin dabei, wenn es darum geht, die Menschen für Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland zu begeistern und zu gewinnen.“ Auch René Hecht wünscht sich die Spiele in Deutschland: „Wir brauchen Olympia als Beschleuniger, was die sportliche Entwicklung, Nachwuchsgewinnung, aber auch Strukturen und Trainerausbildung betrifft.“

 

Als Fazit der von Thomas Skulski moderierten Diskussion hält Berlins DOG-Präsident Richard Meng fest: „Wir haben einen spannenden Abend erlebt. Und es gibt ja beides: Der Fußball kann andere Sportarten mitziehen, er kann das Interesse am Sport insgesamt heben – aber er kann den internationalen Sport auch diskreditieren, was dann auch wieder auf alle ausstrahlt. Was klar ist: Der Weltsport braucht dringend Reformen, weg von Korruption und Instrumentalisierung durch autoritäre Herrscher. Im Interesse des ganzen Sports, nicht nur des Fußballs.“

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DOG-Talk "Alles Fußball - oder doch nicht?!" (DI, 08. November 2022)

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Di, 08. November 2022

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