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Tagesspiegel-Gastbeitrag: Berlin sollte sich öffnen für Olympia

Man kann es ein erstes Grundrauschen nennen, das aber immer deutlicher hörbar wird. Olympia 2036 vielleicht in Berlin? Erfreulich unaufgeregt sind in diesen Wochen dazu die ersten Andeutungen wie die Reaktionen - und alleine das ist schon durchaus etwas Neues.

 

Der deutsche Sport will sich 2024 entscheiden, ob und wie er sich nach so vielen gescheiterten Anläufen wieder einmal bewirbt um Olympische und Paralympische Spiele. Erste Ambitionen sind, wenn auch ungewohnt bedacht und leise, aus verschiedenen Regionen erkennbar. Aber das Positive ist diesmal: Der Sport hat gelernt. Nicht noch einmal sollen einzelne Städte gegeneinander ins Auswahlrennen geschickt werden. Und nicht noch einmal soll es eine Bewerbung geben, die nicht von Beginn auch an vom Bund – vor allem: finanziell – mitgetragen wird.

 

Wir reden also auch hinsichtlich einer Bewerbung mit Berlin jetzt von einem völlig anderen Vorgehen als früher üblich. Wir reden zudem davon, dass diesmal nicht nur eine einzige Stadt im Zentrum der deutschen Bewerbung stehen muss. Auch das ist ein gravierender Lernprozess, der freilich auch eine gewisse Öffnung beim autokratischen IOC voraussetzte. Der Gedanke jetzt: Deutschland bewirbt sich – mit sicher mehreren Austragungsorten, regional gebündelt oder auch breiter räumlich verteilt.

 

Noch ist so ein Konzept nicht präzise ausgearbeitet, aber es ist das einzig sinnvolle. Und es verändert die Fragen, die sich an die Hauptstadt stellen, fundamental. Es wird nicht mehr darum gehen, ob mit Berliner Geld ein extrem teures zweimal vierzehntägiges Sportfest – erst Olympia, danach die Paralympics – durchgezogen werden soll. Sondern es geht um ein Angebot des gesamten Landes an die Welt. Zudem dann, wenn es klug angepackt wird, ohne die bisher üblichen gigantischen Neubauten an einem einzigen zentralen Ort, die hinterher niemand mehr braucht.

 

Dass Berlin bei einer solchen Olympia-Revolution nicht ignorant daneben stehen sollte, ergibt sich nicht alleine aus der Hauptstadtrolle. Es ist ja auch rein praktisch völlig logisch, dass die wichtigen Berliner Sportstätten schon heute Olympiaformat haben und deshalb in Sachen Beton nicht viel zu bewegen wäre. Umso mehr freilich in Sachen Herz für den Sport und Werbung fürs Bewegen. Nicht nur als Kopfsache, sondern mit der großen Emotion, für die guter Sport steht. Und da war es in Berlin schließlich immer so: Wenn große Veranstaltungen anstanden, gab es vorher manches Naserümpfen – aber wenn sie dann begannen, war die Begeisterung riesig.

 

Im nächsten Sommer werden wir in Paris sehen, ob und wie Olympia in Europa mit einem basisnahen Konzept funktionieren kann. Daran lässt sich mit der deutschen Bewerbung ansetzen, sicherlich auch schon mit weiteren positiven Ideen. Für Berlin heißt das jetzt aber: Die Stadt sollte sich öffnen für diese Diskussion. Sie kann dadurch viel gewinnen, nicht zuletzt Sympathien. Weil Berlin jetzt schon Sportstadt ist. Und weil deshalb gerade Berlin zeigen kann, dass es auch anders geht als so, wie wir Olympia zuletzt erlebten.

 

Der neue Senat hat im Koalitionsvertrag die richtige Linie formuliert: Die Stadt steht bereit, wenn der deutsche Sport es will und die Bundesregierung sich klar erklärt. Erste positive Sätze der für Sport zuständigen Bundesinnenministerin – auch in Richtung Berlin – gibt es inzwischen. Was jetzt deutlich sichtbarer werden müsste, ist die Bereitschaft der Berliner Stadtgesellschaft, sich auf die Diskussion einzulassen und dabei die Chancen zu sehen. Auch damit nicht etwa die Oppositionsparteien meinen, sie könnten mit Hinhalten und Abwehren mehr gewinnen als mit positivem, kritisch-konstruktivem Einsatz.

 

Die Stadtgesellschaft ist jetzt am Zug. Bürgerinnen und Bürger, Organisationen aller Art, Wirtschaft und Kultur, Vereine und Verbände können sich beteiligen an der Debatte und deutlich machen, dass die Olympiaidee in Berlin verankert ist. Spätestens nach der Sommerpause wird das Thema bundesweit an Bedeutung gewinnen. Mit Olympia in Paris muss dann sichtbarer werden, dass es in Deutschland und seiner Hauptstadt gesellschaftliche Unterstützung für die Idee gründlich reformierter Olympischer Spiele gibt. Nicht dem IOC zuliebe, im Gegenteil: Berlin zuliebe, das mehr kann, als am Rand des Spielfeldes passiv zu bleiben.

 

Inzwischen gibt es erste Signale, dass die Idee in der Stadt Wurzeln schlägt. Im Berliner Sport wird das Thema diesmal klug angepackt: ausgewogen und nicht polarisierend, sehr konzentriert auf Dialog und neue Ideen, auf Kooperationen weit über die Etablierten hinaus. Die Vorbehalte mancher wegen des Datums 2036, hundert Jahre nach den Nazispielen, sind leiser geworden – und ob Europa dann wirklich wieder mit Olympia an der Reihe ist oder erst 2040, steht ja auch noch nicht fest. Es wird also darauf ankommen, dass die deutsche Bewerbung auch längerfristig Stehvermögen zeigt.

 

Es ist letztlich jetzt eine Haltungsfrage. Berlin sollte zeigen, dass es sich einmischen will und kann in die große Debatte zur Zukunft des Sports, dessen Prinzipien und Werte weltweit so häufig ignoriert oder sogar missbraucht wurden. Einmischen in einer bewegten Stadt – mit einer Botschaft des Bewegens, des Mitmachens. Und Einmischen mit Klartext, wie es besser gehen könnte. Dann aber auch mit der Bereitschaft, am Gelingen mitzuarbeiten. Jetzt ist der Zeitpunkt dafür.

 

Erschienen im Tagesspiegel, 24. Mai 2023, online und Print

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Veröffentlichung

Mi, 24. Mai 2023

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